Anwält*innenKollektiv Berlin Berlin, 24.05.2024
Anwält*innenkollektiv zur Räumung des Jabalia Institut (Institut für Sozialwissenschaften) an der Humboldt-Universität am 23.05.2024
Die brutale und rechtsstaatswidrige Räumung der Studierenden aus dem Jabalia Institut ist nunmehr ein weiterer besorgniserregender Tiefpunkt in der Repression gegen Palästina-solidarische Menschen in Berlin und Deutschland.
Mehrere Anwält*innen aus unserem Kollektiv waren seit dem ersten Tag der Besetzung vor Ort, um die Studierenden in ihrem Protest gegen den Genozid in Gaza zu unterstützen, und ihre Forderungen an die Universitätsleitung zu richten. Ihre Forderungen umfassten unter anderem den sofortigen Stopp des Genozids in Gaza, und die Verhinderung der angedrohten Verschärfung des Hochschulgesetzes.
Am gestrigen Tag wurde mindestens einem unserer Anwälte der Zugang von der Universitätsleitung verwehrt, obwohl die Studierenden ausdrücklich auf anwaltlichen Beistand gepocht haben.
Entgegen der eindeutigen Absprache, die Universitätsleitung werde das Jabalia Institut nicht von der Polizei räumen lassen, sind im Laufe des gestrigen frühen Abend dutzende Studierende im und außerhalb des Gebäudes festgenommen, und von der Polizei verprügelt worden. Unser Anwaltskollege wurde ebenfalls festgenommen, und ihm, und allen anderen Festgenommenen wird nun laut Aussage der Polizei vor Ort schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen.
Laut Aussage unserer Anwält*innen vor Ort wurde mit der Universitätsleitung vereinbart, dass alle Studierenden ohne Identitätsfeststellung in Begleitung ihrer Professor*innen das Jabalia Institut verlassen dürfen. Diese Vereinbarung wurde gebrochen. Auch jene Studierende, die schon frühzeitig das Jabalia Institut verlassen haben, wurden entgegen der Zusicherung der Universitätsleitung festgenommen, die Personalien registriert.
Die Anweisung gegen die Studierenden mit voller Härte vorzugehen kam von Kai Wegner und dem Senat selbst. Wegner soll gegenüber der Polizeiführung angeordnet haben, dass die Personalien von allen anwesenden Personen festgestellt werden – und zwar ohne Anfangsverdacht. Ein Anfangsverdacht liegt gegen niemanden vor, weil die Universitätsleitung klar erklärt hat, dass keine Strafanträge gestellt werden. Für den Polizeieinsatz gab es also keine ersichtliche Rechtsgrundlage, sondern vielmehr ein undemokratisches und autoritäres Eingreifen seitens der Regierung, unter völliger Missachtung des universitären Selbstverwaltungsrechts.
Sofern nun die einzelnen Graffiti herangezogen werden, um den Polizeieinsatz zu rechtfertigen, ist auch dies überhaupt keine nachvollziehbare Rechtsgrundlage, denn auch die Sachbeschädigung ist ein (relatives) Antragsdelikt, und die Universitätsleitung hat keinen Strafantrag gestellt. In jedem Fall können die Graffiti keiner Person zugeordnet werden; ein kollektiver Anfangsverdacht gegen hunderte Anwesende kann so nicht konstruiert werden.
Neben der Identitätsfeststellung wurden zudem noch fast alle Festgenommenen erkennungsdienstlich behandelt. Solch eine pauschale erkennungsdienstliche Behandlung sprengt die Grenzen des nach der StPO Zulässigen.
Der Vorwurf des schweren Landfriedensbruch lässt sich nach den Beobachtungen unserer Anwält*innen vor Ort nicht halten. Es soll wohl einen einzigen vereinzelten Wurf mit einer Milchtüte gegeben haben. Das rechtfertigt das Vorgehen der Polizei nicht, und muss überhaupt als Reaktion auf das brutale Eingreifen der Polizei selbst verstanden werden.
Zudem wurde die Spotanversammlung vor dem Jabalia Institut in Solidarität mit den Studierenden und ihren Forderungen zur Unterstützung der palästinensischen Sache von der Polizei angegriffen und gekesselt. Die Polizei lehnte unter völliger Missachtung des Versammlungsrechts aus Art. 8 GG eine Anmeldung vor Ort ab, und verhinderte damit den grundrechtlichen Schutz. Ohne jegliche Ankündigung hat die Polizei laut Augenzeug*innenberichten die Versammlungsteilnehmenden mit sog. Schmerz- und Würgegriffen abgeführt, welche zurecht von einigen Sachverständigen als Verstoß gegen das Folterverbot gesehen werden.
Zudem wurden Platzverweise bis zum Folgetag, 23 Uhr erteilt, sowie mit Präventivgewahrsam von 5 Tagen gedroht. Studierende wurden durch eingesetzte Polizeikräfte mit Exmatrikulation bedroht. Mit der Polizeipräsidentin Slowick vor Ort halten wir dies, und all die erwähnten, im rechtsfreien Raum stattfindenden Maßnahmen, als politisch gewollte Einschüchterungsversuche.
Wir als Anwält*innenkollektiv solidarisieren uns mit den Studierenden. Ihr Protest ist legitim. Wir fordern die Einstellung aller Strafverfahren. An den Senat richten wir unsere Empörung über dieses undemokratische und autoritäre Vorgehen – die Regierung Wegner trägt die volle Verantwortung für jede verletzte und zu Unrecht festgenommene Person, und für die Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Universität. Die Regierung Wegner hat am 23.05.2024 dem Geburtstag des Grundgesetzes auf die unwürdigste aller Weisen die Krone aufgesetzt.